Warum ich den Code of Conduct „Demokratische KI“ unterzeichnet habe und warum es mehr ist als ein politisches Statement

In den letzten Jahren habe ich in Vorlesungen und Workshops viel über künstliche Intelligenz gesprochen, noch mehr darüber nachgedacht und am meisten beobachtet, wie unterschiedlich Menschen damit umgehen: zwischen Faszination, Unsicherheit, Überforderung und manchmal auch einer fast schon gefährlichen Sorglosigkeit.

Ich nutze KI in meiner täglichen Arbeit. In meinen strategischen Beratungen, in meinen Workshops rund um Content Creation und digitale Prozesse sowie auch in der Weiterbildung Frauen in Führung, in der ich Teilnehmerinnen zeige, wie sie KI sinnvoll und souverän in Office-Tools einsetzen können.

Gerade weil KI inzwischen überall auftaucht, ist es aus meiner Sicht entscheidend, wie wir ihr begegnen. Nicht technikfeindlich, nicht blauäugig – sondern informiert, kritisch und verantwortungsvoll.
Und genau deshalb habe ich den Code of Conduct „Demokratische KI“ unterzeichnet.

Bild: Johann Lensing

1. Mitgestalten ist besser als abseits stehen

Ich halte es für fatal, technologische Entwicklungen reflexhaft abzulehnen. Die Welt dreht sich weiter – auch ohne uns. Und wer sich verweigert, verliert nicht nur Anschluss, sondern auch Gestaltungsspielräume. Die Frage ist nicht: Ob KI kommt. Die Frage ist: In welchem Geist wir sie nutzen und wer die Regeln dafür setzt.

Viele Menschen treten aus Angst oder Überforderung auf die Bremse. Ich verstehe diesen Impuls. Aber wer bremst, bleibt stehen und wird am Ende doch mitgezogen. Nur ohne Orientierung, ohne Wissen, ohne Einfluss. Wenn wir mitgestalten wollen, braucht es eine bewusste Haltung. Und genau hier beginnt für mich der nächste Punkt.

2. KI ist ein Werkzeug – präzise, aber ohne Haltung

Denn selbst wenn KI beeindruckend präzise Muster erkennt, Zusammenhänge errechnet und Informationen sortiert: Verstehen kann sie nicht.

Sie weiß nicht, wohin ich mit meinem Business will. Sie begreift nicht, warum Empowerment für mich kein Buzzword ist, sondern tief in meinem Innersten seinen Ursprung hat. Und sie hat kein Gespür dafür, welche Wirkung Kommunikation auf Menschen hat. Das bleibt meine Aufgabe und wird es immer bleiben.

Deshalb nutze ich KI nicht als Ersatz für strategisches Denken, sondern als Verstärker: eine jüngere, wachere, konzentriertere Version von mir (ohne Mombrain), die mich unterstützt, aber nicht steuert. Aber genau diese Unterstützung funktioniert nur, wenn wir wissen, wann KI zuverlässig ist und wann nicht. Und das führt direkt zum nächsten Punkt.

3. Kritischer Umgang ist keine Option – er ist Voraussetzung

Einer meiner prägendsten Momente hat mir das sehr klar vor Augen geführt:

Ich sah ein Reel mit einem Redebeitrag aus dem Europäischen Parlament – ohne Namensnennung der Politikerin. Ich machte einen Screenshot und gab ihn in verschiedene KI-Tools, um die Person identifizieren zu lassen. Ein System beharrte hartnäckig und selbstbewusst darauf, dass es sich um eine andere Politikerin handelte.

Ich wusste, dass das nicht stimmt. Die KI blieb dabei. Ich recherchierte, verglich, argumentierte – fast 15 Minuten lang. Am Ende korrigierte sich die KI und entschuldigte sich bei mir.

Der Punkt ist: Sie lag selbstsicher falsch. Und ich hätte es glauben können.

Solche Situationen zeigen, warum kritisches Denken im KI-Zeitalter nicht optional ist, sondern notwendig, um uns im Informationsraum sicher bewegen zu können.

4. Wir müssen den KI-Gendergap ernst nehmen

Ein weiterer Punkt ist:  KI reproduziert gesellschaftliche Ungleichheiten – oft leise, aber wirkmächtig. Frauen sind in der KI-Entwicklung massiv unterrepräsentiert, marginalisierte Perspektiven fehlen und Modelle spiegeln dominante Narrative. Für mich ist daher klar, dass ich KI bewusst auch dafür nutze, um dagegen zu halten:

  • weibliche Expertise sichtbar machen

  • diskriminierende Muster aufbrechen

  • Perspektiven stärken, die sonst unsichtbar bleiben

  • Menschen befähigen, bewusst mit Technologien umzugehen

Dieser Aspekt hat viel mit Haltung zu tun und Haltung spiegelt sich auch in unserer Kommunikation. Genau dort sehe ich den nächsten kritischen Punkt.

5. KI darf echte Kommunikation nicht ersetzen

Eine ebenfalls erkennbare Tendenz, die mich zunehmend besorgt, ist die Automatisierung von zwischenmenschlicher Kommunikation. Werfen wir einen Blick auf LinkedIn: Menschen beantworten Kommentare mit generierten Textbausteinen. Im Ergebnis klingen Unterhaltungen glatt, aber völlig leer.

Wir sehnen uns auf der einen Seite nach echten Verbindungen und füllen gleichzeitig unsere digitalen Räume mit generisch formulierten KI-Sätzen. Für mich ist das ein Widerspruch. Ich finde: KI darf unterstützen, aber nicht die Verbindung zwischen Menschen ersetzen.

Bild: Johann Lensing

Warum ich also unterschrieben habe

Der Code of Conduct fordert:

  • Mündigkeit

  • Transparenz

  • demokratische Kontrolle

  • kritischen Umgang

  • Bewusstsein für Bias

  • Prävention gegen Missbrauch

  • Stärkung von Medienkompetenz

All das deckt sich mit meiner Haltung und mit meiner Arbeit. Ich habe unterschrieben, weil ich:

  • KI nutze, aber nicht unreflektiert

  • Menschen im Umgang mit ihr weiterbilde

  • gesellschaftliche Auswirkungen sehe

  • Verantwortung übernehme für die Art, wie wir kommunizieren

  • und eine Zukunft will, in der Technologien Menschen stärken, nicht entmündigen

Ich möchte nicht eines Tages zurückblicken und sagen: Wir hätten es besser wissen müssen. Ich möchte sagen können: Wir haben bewusst entschieden, wir haben gestaltet, wir haben Verantwortung übernommen oder es zumindest versucht. Die Debatte um künstliche Intelligenz ist zu groß, um sie nur den Entwickler*innen oder Tech-Konzernen zu überlassen. Der Code of Conduct ist ein Versuch, Verantwortung breiter zu verankern. Du kannst ihn auf der Website einsehen und für dich prüfen, ob du ihn mittragen möchtest.

Jede reflektierte Stimme macht einen Unterschied.

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